Abengs Entscheidung by Philomène Atyame

Abengs Entscheidung by Philomène Atyame

Autor:Philomène Atyame
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: ATHENA-Verlag
veröffentlicht: 2012-07-14T16:00:00+00:00


Hamburg

Ein weißer Vogel verließ das Himmelsgewölbe, er streckte seine Beine aus und landete auf der Erde. An allen Ecken bebte der Boden.

Es war Sommerzeit in Deutschland und Abengs erste Landung auf einem europäischen Flughafen. In der Lufthansa-Maschine hatte sie sich die ganze Zeit gegen das immer wieder auftauchende Traumgefühl gewehrt. Dieser Flug hatte nichts Gemeinsames mit den Flügen, die sie erfuhr, wenn sie in ihrem Zimmer zu Hause Sartre, Césaire oder Shakespeare las. Dieser Flug war wahr.

Abeng war vom Wesen her ein Mensch, der gern in den Lüften lebte. Sie mochte deshalb alles, was sie vom Boden hob, zum Beispiel die seltenen Träume, in denen sie gleich einem Vogel zur Sonne flog und irdischen Gefahren entfloh. Sie träumte nicht nur nachts, sondern auch am hellen Tag. Sie war wie vom Fliegen besessen. Abeng kehrte aber immer im richtigen Augenblick zum Boden zurück.

Und dieses Mal war ihr es wieder gelungen, rechtzeitig auf der Erde zurück zu sein. Sie wollte die Wirklichkeit nicht aus den Augen verlieren, sie war vom Süden abgeflogen, um den unbekannten Norden zu sehen. Sie wollte jeden Schritt dieser ungewöhnlichen Wende ihrer Lebensgeschichte wahrnehmen.

In Frankfurt landete die Maschine. Manfreds Eltern warteten in der zweiten Ankunftshalle. Der Sohn hatte mit den beiden zwei Tage vor dem Abflug noch einmal telefoniert und ihnen bestätigt, daß er mit Abeng fliegen wird. Er hatte ihnen nichts von seiner großen Liebe in Afrika verschwiegen.

Während seines Aufenthaltes in der Küstenstadt war er im ständigen telefonischen Kontakt mit seinen Eltern. An dem Abend nach seinem zweiten Treffen mit Abeng rief er seinen Vater an. In wenigen Sekunden vermittelte der heiße Draht die Liebesnachricht. Die Tropenflammen und Liebesflammen erhitzten den Hörer von Alfreds Telefon. Alfreds Finger verbrannten. Er ließ seinen Sohn nichts merken. Nur Tania, seiner Ehefrau, zeigte er die Brandwunde:

›Es ist geschehen.‹

›Was ist geschehen?‹

›Das, was ich befürchtet habe.‹

›Was ist unserem Sohn passiert?‹

›Er hat sich dort verliebt, in eine Schwarze.‹

›Alfred! Du hast mir furchtbar Angst gemacht. Ich dachte, daß er einen Unfall hatte oder Ähnliches. Das mit der Schwarzen überrascht mich nicht. Als unser Sohn mit dunklen Haaren und schwarzen Augen zur Welt kam, wußte ich, daß hier etwas Ungewöhnliches geboren wurde. Manfred ist seit dem Tod deines Großvaters der einzige dunkle Typ in unserer Familie. Das spielt sicherlich eine große Rolle in seinem Verhalten. Noch als kleiner Junge hatte Manfred eine besondere Zuneigung zu Fremden. Erinnerst du dich noch, wie empört er aus der Schule nach Hause kam, als er im Geschichtsunterricht von der Ausrottung der Inkas, vom Sklavenhandel und von der Judenvernichtung hörte? Er ist so geboren! Ein Anwalt fremder Völker! Oft hat er mir Dinge wiederholt, die der Lehrer in der Schule sagte. Er sah seinen ersten Lehrer, den mit der Südafrikanerin, immer als Vorbild an. Paß auf! Jetzt fällt mir wieder etwas ein. Mit sechs sagte Manfred zu mir: »In Afrika sind die Mädchen artig. Sie mögen kein Geld. Sie haben ein gutes Herz. Das sagt unser Lehrer immer.« Dann lachte er und sagte: »Mama, wenn ich groß bin, werde ich nach Afrika fliiiiegen und eine Farbige heiraten.



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